Lilli Koisser

Wie du Perfektionismus und Selbstzweifel besiegst: Interview mit Carina Hermann

Carina Hermann ist erfolgreiche Reisebloggerin mit Pink Compass, mehrfache Buchautorin*, das Gesicht hinter Um 180 Grad, einem Blog für selbstständige Frauen, und die Gründerin des digitalen Coworking Space für Frauen, Femininjas.

Kurz gesagt ist sie ein riesengroßes Vorbild und hat mich dazu inspiriert, meinen Blog zu monetarisieren – nachdem ich den Gedanken jahrelang mit mir herumgetragen habe und warten wollte, bis alles perfekt ist. Wen könnte ich also besser zum Thema „Perfektionismus und Selbstzweifel“ interviewen?

Liebe Carina, warum müssen Frauen ihre Denkweise um 180 Grad drehen, wenn sie sich selbstständig machen wollen?

Erst mal danke für die virtuellen Blumen und die tolle Vorstellung! Ich glaube, es ist gar nicht mal so sehr die Denkweise, sondern vielleicht eher unsere Einstellung. Wir haben vorab so viele Blockaden im Kopf und verbieten uns oftmals, alles umzukrempeln.

Darf ich mich wirklich einfach so von meinem Beruf trennen? Darf ich mit etwas Geld verdienen wollen, was sich für mich wie ein Hobby anfühlt? Darf ich mich als Expertin bezeichnen, auch wenn ich gar kein Diplom darin habe?

Wir dürfen. Und wir können.

Und diese Denkschleife muss jede von uns anfangs erst mal drehen.

Was sind deiner Meinung nach die häufigsten Ängste rund um die Selbstständigkeit?

Zu versagen. Das ist definitiv die größte Angst. Was andere dann von uns denken, ist eine, die an dieser mit dranhängt. Aber als wären Ängste nicht schon schlimm genug, kommt der Gegenwind von Familie, Freunden, Bekannten und Arbeitskollegen oft noch dazu. Die die eigenen Ängste verstärken. Dann wird uns eingeredet, dass Selbstständige grundsätzlich scheitern, sich mit „dieser Idee“ doch kein Geld verdienen lässt und welche Gesellschaftsrollen wir dann ja alle nicht erfüllen. Viele Ängste würden sich mit guter Vorbereitung vielleicht noch abmildern lassen, wenn wir uns nicht jeden Tag anhören müssten, wir könnten das gar nicht schaffen.

Welche verschiedenen Arten gibt es, wie Frauen sich selbst zurückhalten – und warum tun sie das?

Die meisten sprechen ihre Gedanken und Ideen kaum wirklich aus, weil sie sofort merken, dass sie entweder belächelt oder kleingeredet werden. Also erlauben sie sich nicht einmal, klar zu sagen, was sie eigentlich gerne ändern würden. Und damit erstickt die Selbstständigkeit sofort im Keim. Was ich unglaublich traurig finde, denn gerade Business-Ideen von Frauen sind meist nachhaltiger und bewegen etwas Positives im Leben anderer Menschen.

Wenn es eine dann wagt, ihre Ideen umsetzen zu wollen, bremst sie sich schnell selbst aus, indem sie auf das grüne Gras der Nachbarn schielt und sich einredet, ihres würde sicherlich niemals so schön wachsen. Im Klartext: Wir reden uns selbst klein. Und auch das wieder völlig zu Unrecht. Die anderen gießen ihr Gras nämlich auch nur mit Wasser, aber es wächst eben einfach schon viel länger.

Wie gehst du mit negativer Kritik um?

Früher habe ich mich nach jeder niederschmetternden Kritik, egal ob sie gerechtfertigt war oder nicht, mit der Schokotafel unter meine Bettdecke verkrochen. Heute knickt mich harte Kritik, wenn sie einigermaßen fundiert ist, immer noch, aber ich versuche, sie als Antrieb zu nutzen. Ich schaue sie von allen Seiten an und versuche, sie zu bewerten. War da ein wahrer Kern, weswegen ich mich so getroffen fühle? Und falls ja, kann ich daraus etwas lernen und in Zukunft besser machen? Damit ziehe ich der Kritik den Stachel und nutze sie sogar noch als Motivation. Das klingt viel einfacher, als es ist, aber ist auch reine Übungssache.

Welche Auswirkungen hat es, wenn wir uns mit anderen vergleichen?

Ich habe das selbst sehr lange gemacht und habe mich selbst damit immer total runtergezogen. Bis ich auch hier beschlossen habe, mich nur noch an meinen eigenen Fortschritten zu messen statt an denen der anderen. Vielleicht bin ich nicht so talentiert, nicht so schlau, nicht so selbstbewusst wie andere – aber ich arbeite hart, und das kann mir niemand nehmen.

Also kontrolliere ich mein eigenes Wachstum, optimiere, wenn ich in einem Bereich auf der Stelle trete, und mache mir immer wieder bewusst, wohin ich möchte und wie ich am sinnvollsten dort ankommen kann. Am Ende des Tages kommt es nicht darauf an, ob wir genauso schnell oder schneller als andere dort ankommen, sondern nur, dass wir es tun.

Perfektionismus und Selbstzweifel besiegen

Worin äußert sich Perfektionismus, woran kann ich ihn erkennen?

Ich finde Perfektionismus in seinem Kern nicht schlecht, im Gegenteil. Er ist eine meiner größten Stärken. Allerdings habe ich das Maß angepasst. 200 % zu geben ist völlig unrealistisch. Selbst 100 % zu erreichen, ist wirklich, wirklich hart.

Aber 80 % zu liefern ist mit harter Arbeit machbar und dann auch richtig, richtig gut.

Also habe ich beschlossen, dass 80 % die neuen 100 % für mich sind und das dann etwas ist, auf das ich sehr stolz sein kann. Das kann bedeuten, dass ich mir klare Projektpläne aufstelle, aber eben eine Woche später als geplant fertig werde. Der wichtigste Punkt? Ich bin fertig geworden! Und das feiere ich dann.

Sich selbst also klare Ziele zu stecken und sich nicht zu zermürben, wenn sie eben nur zu 80 % so erreicht werden, wie man sich das vorgestellt hat, ist schon ein guter Anfang, den Perfektionismus der 200 % loszulassen. Sich selbst aufzuzeigen, was man jeden Tag schafft und wie viel des Weges zum Erfolg man schon hinter sich gebracht hat, ist enorm wichtig. Es gibt den tollen Spruch „Gemacht ist besser als perfekt“. Den sollten wir uns alle auf unseren Desktop packen.

Wie bringt man den inneren Kritiker dazu, die Klappe zu halten?

Indem man sich auf sich selbst konzentriert statt auf das, was alle anderen machen. Das ist enorm schwer heutzutage, wenn alle konstant auf Social Media in wunderschön gefilterter und gephotoshopter Version zeigen, was sie jeden Tag angeblich erreichen. Aber es geht.

Sich selbst Auszeiten zu geben. Je gestresster und überarbeiteter wir sind, desto leichter haben es die Selbstzweifel mit uns. An Tagen, an denen ich mich selbst kleinrede, mache ich manchmal den Laptop einfach zu und mache frei. Ja, auch mit einer To-do-Liste, die fast platzt. Denn genau in diesen Phasen würde ich sowieso nichts zustande bringen. Also lasse ich es, hole Luft und merke am nächsten Tag, wie es plötzlich alles locker von der Hand geht – und ich viel nachsichtiger mit mir selbst bin.

Warum haben wir so panische Angst davor, sichtbar zu werden oder andere zu „nerven“?

Weil wir von klein auf gesagt bekommen, wir sollen als Mädchen bescheiden und ruhig sein. Das sitzt tief. Vielleicht ist es uns nicht in genau diesem Wortlaut bewusst, aber in den meisten Fällen werden Mädchen immer noch nicht wirklich ermutigt, laut schreiend als Pirat verkleidet mit den Jungs durch Wälder zu rennen. Subtil wird uns dieses Rollenbild vermittelt und wenn nicht von unserer Familie, dann von der Gesellschaft bestärkt. Ein liebes, ruhiges Mädchen zu sein, wird uns überall eingeprägt.

Dann im Erwachsenenalter aufzustehen und laut auszusprechen, ich kann was und ich nehme mir einfach mein Stück vom Kuchen, ist sehr schwer. Auch hier hilft es wieder, sich am besten darauf zu konzentrieren, wem genau wir mit unserem Angebot helfen und spezifisch damit zu werden.

Sobald ich mich selbst davon überzeugt habe, dass mein Angebot wertvoll und hilfreich ist, habe ich auch automatisch weniger Probleme damit, das deutlich anzubieten.

Und diese Menschen, denen es hilft, werden uns genau das dann auch schnell bestätigen. Dann beginnt der Kreislauf des wachsenden Selbstbewusstseins und auch der wachsenden Sichtbarkeit. Leider ist es bis dahin oft ein steiniger Weg.

Was sind deine besten Tipps, um vom Planen ins Handeln zu kommen?

Sich klare Ziele zu setzen. So klar, detailliert und deutlich formuliert wie möglich. Ich nutze seit Jahren ein Vision-Board, auf dem ich mir ganz klar beschreibe, was ich erreichen möchte. Daraus formuliere ich mir dann Ziele für die nächsten Wochen, Monate und auch Jahre und breche herunter, was ich dafür tun muss, um sie zu erreichen.

Und hier ist es wirklich notwendig, sie auch so zu formulieren, dass ich exakt weiß, was ich tun muss, um was zu erreichen. „Meine Reichweite mit Gastartikeln steigern“ ist für mich zu schwammig. „Ich möchte monatlich 5.000 einzigartige Besucher sehen, meinen Facebook-Traffic (der viel aussagekräftiger ist als bloße Fans, die dann meine Posts sowieso nur zu 5 % sehen) auf 1.000 Besucher pro Monat steigern und jeden Monat mindestens drei Gastartikel-Anfragen an Seiten rausschicken, die selbst mindestens 10.000 einzigartige Besucher haben.“ – das ist ein klares Ziel, aus dem ich sofort ins Handeln komme. Dann weiß ich, welche Arten von Seiten ich suchen muss, dass ich mir drei Termine in den Kalender packen muss, um die Anfragen abzuschicken, und dass ich eventuell Facebook-Werbung schalten oder mir andere Facebook-Strategien suchen muss, um meine Fans auch auf meine Seite zu bringen (wie zum Beispiel Freebies).

Je klarer ich also mit meinen Visionen bin, für die ich wirklich brenne, desto klarere Ziele kann ich mir aufstellen. Ganz wichtig ist auch, in dem Moment, in dem ich einen Entschluss fasse, auch sofort diese Energie zu nutzen und einen ersten kleinen Schritt in die Umsetzung zu machen.

Oft fällt uns das Anfangen eines neuen Projektes am schwersten. Wenn ich diese Blockade schon überwunden habe – egal wie klein die Maßnahme war –, ist die Hemmung gebrochen. Dafür reicht schon eine E-Mail oder den Termin zur Projektplanung in den Kalender einzutragen.

Kann jeder erfolgreich werden? Auch ohne Studium, Erfahrung und Referenzen?

Nein. Aber jeder, der ein klares Ziel vor Augen hat, das er oder sie erreichen will. Das uns genug Energie gibt, jeden Tag daran zu arbeiten, zu feilen und sich so sehr auf dessen Abschluss zu freuen, dass wir jeden Morgen von ganz allein an den Laptop springen. Oder uns freiwillig halbe Nächte um die Ohren schlagen.

Meine Frage, ob es jemand schafft oder nicht, hängt nicht an Studium oder Referenzen. Ich frage immer nach Hartnäckigkeit, Ausdauer und Lernbereitschaft. Online sind das meiner Meinung nach die neuen Währungen für Erfolg.

Du reist seit Jahren um die Welt und arbeitest ortsunabhängig. Womit verdienst du dein Geld?

Das habe ich hier auf Pink Compass mal ganz offen und einfach beschrieben, und auf meiner „Über mich“-Seite auf Um 180 Grad sind sogar meine Einnahmen-Reports meiner ersten drei Jahre als Selbstständige im Detail für alle abrufbar.

Vielen Dank für das Interview!

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6 Antworten

  1. Hallo Alex,

    sehr sehr gerne! 🙂

    Das ging mir genauso und ich bin mir sicher, dass Carina auch noch viele andere selbstständige Frauen ermutigt und inspiriert hat. Danke für deinen Kommentar!

    LG Lilli

  2. Liebe Lilli, liebe Carina,

    danke für dieses tolle Interview <3

    „Um 180 Grad“ war bei meinem Start vor fast zwei Jahren auch eine große Inspiration für mich, und ich glaube, ich habe inzwischen jeden einzelnen Artikel dort verschlungen. 🙂

    Liebe Grüße
    Alex

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