Lilli Koisser

Interview: Wie es wirklich ist, seit 25 Jahren (!) freier Texter zu sein

Detlef Krause von TextBoosting ist seit 25 Jahren freier Texter. Ich habe ihn über einen Kommentar bei meinen 9 schrecklichen Kunden kennengelernt – und sofort um ein Interview gebeten, damit er seine gesammelten Weisheiten mit uns teilen kann. Von so einer langen und steilen Karriere als freier Texter war ich zutiefst beeindruckt, und ich habe ihn daher mit Fragen regelrecht gelöchert. Aber lies am besten gleich selbst unser Interview:

Gründung, Höhen und Tiefen als freier Texter

Detlef, du bist seit 25 Jahren freier Texter und Autor der Bücher „Perfekt texten“* und „Webtexten für Nicht-Texter“. Findest du, dass ein freier Texter studiert haben sollte? Wie wird man heute Texter?

Der klassische Weg ging früher meist über eine Werbeagentur. Man fing dort als Junior an und textete sich hoch. Das hatte den Vorteil, dass man vom Start weg schon für „gute“ Kunden arbeitete – und wenn man dazu noch das Glück hatte, einen guten Text-Mentor zu haben, konnte man sich von ihm eine Menge abschauen. Die meisten Texter zu meiner Agenturzeit waren Quereinsteiger, mit dem Hang zum Wahnsinn, dem Willen „gutes Zeug“ zu machen und keinem allzu großen Bedürfnis nach viel Freizeit.

Insofern, zurück zu deiner Frage Lilli: Ich glaube nicht, dass man, um erfolgreicher Texter zu werden, studiert haben muss. Aber drei andere Voraussetzungen sollte man mitbringen:

  1. Ein gutes, wenn nicht sehr gutes Allgemeinwissen. Du musst von jetzt auf gleich in neue Themen reinspringen, oder dich zumindest sehr schnell darin einarbeiten können.
  2. Empathie für deine Leser. Du musst dich in die Situation deines Lesers hineinversetzen können. Was bewegt ihn gerade? Wie macht das, was du gerade betextest, sein Leben leichter?
  3. Biss: Dich nicht mit deinem ersten Text zufrieden zu geben. Sondern immer zu schauen: Gibt es nicht noch einen besseren Weg, deine Botschaft noch überzeugender rüberzubringen?

Zum zweiten Teil deiner Frage – wie wird man HEUTE Texter – kann ich dir keinen direkten Weg empfehlen. Es kommt eben darauf an, wie intensiv du Texter werden möchtest. Mit Haut und Haaren und das auch gerne in einer 50+ Stundenwoche? Dann könnte ich mir vorstellen, dass der beste Weg hier immer noch über eine Werbe- oder PR-Agentur führt. Je nachdem, in welche Richtung die Texterei gehen soll. Vorteil: Echte Projekte, oft spannende Kunden und du bekommt gute Arbeitsproben für deine spätere Selbstständigkeit.

Wenn man direkt als Freelancer starten möchte, würde ich empfehlen, sich auf eine sehr enge Nische zu konzentrieren. Dann ist die Texter-Konkurrenz nicht so groß und du kannst deine Trümpfe auch als Newbie besser ausspielen. Dazu solltest du thematisch in deiner Nische allerdings ziemlich sattelfest sein. Du kannst nicht von nichts eine Ahnung haben und dich als Textprofi für Medizintechnik vermarkten. Medizinisches Grundwissen sollte da schon vorhanden sei. Und sei es aus deinem früheren Beruf als Krankenschwester.

Welche Ängste hattest du vor der Gründung – und sind diese Szenarien jemals eingetroffen?

Klar hatte auch ich Bedenken, als ich den Sprung in die Selbstständigkeit wagte. Was mich antrieb war erstens, dass ich sah, welche Tagessätze Freelance-Texter, die „meine“ Agentur anheuerte, hatten und auch bekamen! Und zum zweiten, dass irgendwann das Organisatorische überhandnahm. Statt selber zu texten, wurde ich immer mehr zum „Text-Supervisor“.

Da lag irgendwann natürlich der Gedanke nahe, mich ebenfalls selbstständig zu machen. Die Gretchenfrage, die mich dabei umtrieb (ich bin ein sehr vorsichtiger Mensch): Woher sollen meine ersten Kunden kommen? Ich hatte zwar ein finanzielles Polster, doch das wollte ich möglichst unangetastet lassen. Am besten wäre es, so dachte ich damals, wenn ich gleich am ersten Tag meiner Selbstständigkeit schon einen Anschlussjob hätte.

Aber so richtig riskant war der Sprung nicht. Ich wusste ja, gute Texter waren gefragt und ich konnte jederzeit wieder zurück in eine Agentur.

Was war dein schönstes Erlebnis als freier Texter?

Ganz klar: der erste Auftrag als Freelancer, der zudem auch noch sehr gut bezahlt war und Aussicht auf Folgegeschäft mit sich brachte.

Gab es auch harte Zeiten und wenn ja, wie hast du diese überstanden?

Ich habe da wohl ziemlich Glück gehabt. So richtige Durststrecken gab es bei mir nicht. Zum Glück bin ich auch, toi toi toi, nie ernsthaft krank geworden. Aber, auch das soll gesagt sein: Ich bin marketingmäßig von der ersten Stunde an immer aktiv gewesen. Selbst wenn ich komplett ausgebucht war, habe ich immer noch Werbeaktionen gestartet, um neue Kunden zu akquirieren. Das hatte den Vorteil, dass der nächste Freelance-Job dann schon immer in der Pipeline war, während der aktuelle noch lief.

Und ganz wichtig für mich: Ich konnte mir dadurch meine Kunden und Projekte mehr oder weniger aussuchen. Was auch die Preisdiskussionen, die es natürlich auch damals schon gab, zu meinen Gunsten drehte.

Kunden haben einfach einen siebten Sinn dafür, wenn du einen Textjob ganz dringend brauchst.

Nennst du hingegen ganz gelassen deinen Preis – manchmal sogar in der Hoffnung, dass du dem Kunden zu teuer bist, weil du eigentlich viel lieber in Urlaub fahren würdest – kommt genau dann oft der Zuschlag. Wer so gefragt ist, muss wohl gut sein. Und was nichts kostet, ist ja bekanntlich auch nichts wert! 😉

Welche Fehler hast du am Anfang begangen, die du heute nicht mehr machst?

Es waren im Grunde zwei Fehler:

  1. Der erste Fehler war, dass ich mich laufend überbuchte. Ich konnte nicht richtig einschätzen, wie lange ich für einen Textauftrag wirklich brauchen würde. Die oft extrem zeitraubenden Korrekturrunden hatte ich einfach unterschätzt (und zu allem Übel oft auch im Preis nicht mit einkalkuliert).
  2. Und der zweite Fehler war, dass ich mir keine Erholungspausen zwischen den Jobs gegönnt habe. Ich textete immer am Limit.

Was würdest du einem Neuling für seine ersten Monate als freier Texter raten?

Wenn man es nicht schon vorher getan hat: Sich zu positionieren. Sich zu überlegen: Welche Textjobs möchte ich gerne haben? Was qualifiziert mich für diese Aufträge? Und wie finde ich mein Alleinstellungsmerkmal?

Außerdem würde ich empfehlen, am Anfang eine ganz klassische Akquise-Methode zu fahren: Ein schönes Mailing zu machen, mit einem Werbebrief und einem kleinen Incentive. Und dies an potenzielle Kunden in der näheren Umgebung zu schicken, mit dem Angebot, auch gerne einmal persönlich vorbeizukommen, um ein aktuelles Werbeproblem zu besprechen. Gerade heute, bei den vielen E-Mails und dem ganzen Online-Gedöns, sticht das schon wieder aus der Masse heraus.

Wie veränderte sich dein Business im Laufe der Jahre?

Oh, das hat sich ganz gewaltig gewandelt. Zumal in diesen 25 Jahren, in denen ich jetzt im Business bin, das Internet das Licht der Welt erblickte. Dadurch taten sich urplötzlich ganz neue Möglichkeiten zur Kundenakquise auf, etwa über eine eigene Website. Schluss mit dem Klinkenputzen bei Agenturen: Meine Probearbeiten konnte man jetzt auf meiner Website begutachten.

Zum anderen entstand praktisch aus dem Nichts ein enormer Textbedarf. Die neuen Homepages brauchten Texte, Texte, Texte.

Aber auch die Projekte, auf die ich mich fokussierte, änderten sich mit den Jahren. Zunächst startete ich als Freelancer für Agenturen. Das war damals ein relativ leichtes Business. Wenn man vorher in einer Agentur getextet hatte, praktisch ein Selbstläufer.

Doch relativ schnell kam die Erkenntnis: Hey, die meisten Aufträge waren reine Textfeuerwehr-Jobs. Kurz vor dem Wochenende, wenn am nächsten Montag die Präsentation beim Kunden anstand. Da brannte die Luft und der mentale Druck war enorm. Denn man wurde natürlich eingekauft, um in wenigen Stunden DIE Lösung zu finden, für die Kreativteams vielleicht wochenlang Zeit gehabt hatten.

Ich habe mich dann relativ schnell von der Agenturszene verabschiedet und mir eigene Kunden gesucht. Damals habe ich sehr viel mit Werbebriefen gearbeitet, was übrigens sehr erfolgreich lief. Daraus sind viele langfristige Stammkunden geworden.

In der darauf folgenden Phase wollte ich mein Geschäft planbarer machen und konzentrierte mich auf Geschäftsberichte. Hier half mir mein betriebswirtschaftlicher Background, ich bin Diplom-Wirt­schafts­ingenieur (FH). Doch was ich hier unterschätzt hatte war, dass die Geschäftsberichtssaison relativ kurz ist. Mehr als ein, zwei Projekte sind in diesem knappen Zeitfenster kaum zu schaffen. Danach ist Ebbe bis zum nächsten Jahr.

Da kam über meine Website urplötzlich die Anfrage, ob ich ein englischsprachiges Direktmarketing-Package für den deutschen Markt adaptieren könnte. Mehrseitige Werbebriefe, Flyer und was da so alles dazu gehört. Fand ich super spannend, zumal ich mir da nicht das Konzept überlegen musste, sondern mich beim Adaptieren voll und ganz darauf konzentrieren konnte: Warum hatte der englische Texter (ein echter Profi, die Mailings liefen in England wie verrückt) das gerade so formuliert und nicht anders?

Bei diesem Job habe ich wirklich eine Menge gelernt. Mein Auftraggeber war hochzufrieden und ich startete anschließend die Website „werbebriefe.com, um von da an nur noch Werbebriefe zu schreiben. Was ein ziemlich smarter Move war, denn diese Werbebriefe-Jobs waren relativ überschaubar. Sowohl vom Zeit- als auch Textaufwand. Ich konnte daher das Geschäft sehr gut steuern.

Hatte ich Lust auf viele Aufträge, nahm ich viele Werbebriefe an. Wollte ich frei haben, nun, dann war ich eine Zeit lang nicht verfügbar – wohl wissend, dass ich das Geschäft jederzeit schnell wieder ankurbeln konnte. Meine Werbebriefe-Website von damals war beim letzten Nachschauen bei Google rund um das Thema „Werbebriefe“ übrigens immer noch gut gerankt.

Tipps zum Thema Kunden & Akquise

Wie gewinnst du Kunden?

Mein Akquise-Tool Nummer Eins sind meine diversen Websites. Ich habe da meine Hauptseite textboosting.com sowie mehrere Nischen-Websites, wie etwa die gerade erwähnte Werbebriefe-Website. In die Pflege und Aktualisierung dieser Seiten investiere ich sehr viel Zeit, ich möchte sagen rund 25 % meiner Arbeitszeit. Ziel dieser Seiten ist nie, sofort den Auftrag an Land zu ziehen, sondern zunächst eine Beziehung zu potentiellen Kunden aufzubauen. Dazu biete ich diverse Freebies gegen Hinterlassen einer E-Mail-Adresse, an die ich dann den Download-Link schicke. Damit gibt mir der Interessent zugleich die Erlaubnis (per Double-Optin), ihn mit weiteren Informationen rund um das Texten zu versorgen.

Parallel dazu veranstalte ich regelmäßig „Let’s talk about Text“-Webinare, in denen es immer um ein ganz spezielles Textproblem geht. Das erhöht zusätzlich meine Reputation bei der von mir angepeilten Zielgruppe. Vor Kurzem habe ich auch noch einen eigenen YouTube-Kanal ins Leben gerufen, um auch bei der, nach Google, zweitgrößten Suchmaschine meine Sichtbarkeit zu erhöhen. Bei YouTube einfach mal nach „Texten fürs Web“ suchen 😉

Wie setzt sich dein Kundenstock zusammen?

Heute arbeite ich ausschließlich mit Direktkunden. Erstaunlicherweise sind dabei viele aus der Kommunikationsbranche, die ich bei der Eigenwerbung unterstütze. Ein anderer Schwerpunkt liegt bei Beratern und Coaches. Insgesamt ziehe ich mich aber mehr und mehr vom direkten Texten zurück, um verstärkt anderen das Webtexten beizubringen. Hierzu biete ich neben betreuten Online-Textkursen wie dem „BlogBoosting-Textkurs“ auch Selbstlern-Anleitungen.

Hast du schon mal Textbroker oder andere Plattformen zur Akquise verwendet?

Nein, noch nie. Würde ich auch nie machen. Auf dem freien Markt kann ich ganz andere Preise durchsetzen, als wenn ich mir hier für Cent-Beträge die Finger wund tippe. Ich kann aber gut nachvollziehen, dass solche Plattformen gerade für Texteinsteiger sehr verlockend sein können. Man braucht keine eigene Kundenakquise zu starten und kann von jetzt auf gleich loslegen.

Dennoch empfehle ich jedem, einen Taschenrechner in die Hand zu nehmen, um sich auszurechnen: Wie viel muss ich texten, um von den Vergütungen einigermaßen gut leben zu können? Oder um davon vielleicht sogar eine ganze Familie zu ernähren? Wie gesagt, zum Start als freier Texter sind diese Plattformen vielleicht ganz okay, aber spätestens nach drei Monaten sollte dann die eigene Website soweit stehen, dass man sie aktiv zur eigenen Kundenakquise nutzen kann.

Welche Texte und Leistungen sind heute am meisten gefragt?

Das kann ich so pauschal nicht sagen. Natürlich sind es in erster Linie Webtexte, die nachgefragt werden. Gut laufen auch Texte, die dem Auftraggeber einen direkten finanziellen Nutzen bringen, wie etwa Sales Pages, Landing Pages oder Texte für spezielle Vertriebsmaßnahmen.

Es kann aber auch durchaus lohnend sein, sich auf eine kleine Nische zu konzentrieren. Beispielsweise auf das Texten von Erklär-Videos oder E-Mail-Kampagnen.

Hier gibt‘s noch viele große, weiße Flecken auf der Textlandkarte.

Welche Fähigkeiten sollte ein guter Texter mitbringen?

Drei Dinge:

1. Empathie mit dem Leser,

2. gut zuhören können (die interessantesten Storys, um einen guten Text zu schreiben, erzählen die Kunden meist im Nebensatz), und

3. den Biss, sich nicht mit dem erstbesten Text zufrieden zu geben – auch wenn der Kunde ihn vielleicht schon so kaufen würde.

Marketing & Positionierung für Freelance-Texter

Welche Marketing-Tipps gibst du anderen freien Textern?

Seine eigenen Stärken zu erkennen und daraus die Positionierung abzuleiten:

1. Worin bin ich besonders gut und mache ich das gerne?

2. Welche Kunden brauchen das?

3. Und sind die Kunden auch bereit, dafür gut zu zahlen?

Das ist der Magic Spot, wo’s einem selbst Spaß macht, die Kunden hochzufrieden sind und auch noch die Kasse stimmt.

Was kannst du uns zu deiner Positionierung verraten?

Wie schon gesagt, hat sich meine Positionierung im Laufe der 25 Jahre mehrfach gewandelt. Wie überhaupt, meiner Meinung nach, die Positionierung ein fließender Prozess ist. Oft kristallisiert sie sich erst bei der täglichen Arbeit heraus. Plötzlich gibt es besondere Themenschwerpunkte. Oder wie bei meinen Werbebriefen damals, die gehäufte Nachfrage nach Texten für ein spezielles Werbemedium. Spätestens dann ist es an der Zeit, sich zu überlegen, ob man dieses Feld noch stärker beackern möchte.

Doch zurück zu der Frage meiner Positionierung: Ich texte zurzeit fast nur noch für Stammkunden. Und konzentriere mich jetzt darauf, anderen das Webtexten beizubringen. Denn vielfach haben Kunden einfach nicht das Budget, um einen Texter zu beauftragen. Oder sie möchten ihre Texte gerne selbst schreiben, weil sie ihre Intention so viel besser rüberbringen können, statt erst einen Freelance-Texter zu briefen, der den gewünschte Ton dann vielleicht doch nicht so trifft. Was ja manchmal auch ziemlich schwierig sein kann.

Was machst du besonders gut, was andere freie Texter vielleicht nicht machen oder können?

Was ich besonders gut mache oder besser als andere Texter, kann ich nicht beurteilen. Kunden kommen meist deswegen zu mir, weil sie mehr wollen als einfach nur einen Text. Sie wollen eine strategische Beratung, mit welchen Texten sie was am besten erreichen.

Viele meiner Kunden vermissen bei anderen Textern den kritischen Gesamtüberblick über ein Projekt.

Da wird ein Textauftrag angenommen und geliefert – oft ohne zu hinterfragen: Macht das überhaupt Sinn, diesen Text dort auf der Website zu platzieren? Wäre nicht eine andere Aktion wesentlich zielführender? Und wenn ja, wie müsste die aussehen? Da ich über all die Jahre meine Websites immer selbst gemacht habe, mich im E-Mail-Marketing sehr gut auskenne, weiß, wie man Salesfunnels aufbaut und Autoresponder-Serien textet, schätzen Kunden meinen Marketing- und Umsetzungsbackground, der auch weit über den Text-Tellerrand hinaus reicht.

Hast du eine Spezialisierung oder schreibst du über alle möglichen Themen und Branchen?

Eine echte Spezialisierung habe ich nicht. Ich weiß nur, wofür ich nicht texte. Das sind unter anderem Nahrungsergänzungsprodukte, Multilevel-Marketing, Finanzprodukte, „Reich werden über Nacht“-Angebote und Kunden, die über andere Texter schimpfen. Ach ja: Mode und Kosmetik sind auch nicht mein Ding. 😉

Organisation & Finanzen für freiberufliche Texter

Wie gestaltest du deinen Arbeitstag?

Ich bin da sehr diszipliniert. Nachdem ich herausgefunden habe, wann meine persönlichen Top-Text-Zeiten sind, blockiere ich diese Zeitfenster natürlich zum Schreiben. Das mag hier den einen oder anderen Texter erschrecken: Meine beste Text-Zeit ist morgens zwischen 7 und 9 Uhr. In dieser Zeit texte ich nahezu ausschließlich meine eigenen Projekte. Das zweite Text-Hoch kommt zwischen 11 und 13 Uhr und das dritte Text-Hoch des Tages zwischen 17 und 19 Uhr. Die Tiefs dazwischen nutze ich für Administratives oder zum Relaxen. Was ja auch mal sein muss.

Wie viele Stunden arbeitest du pro Woche / Monat?

Früher habe ich Zeit-Zettel geführt, auf denen ich akribisch jeden einzelnen Textjob notiert habe: Recherche 1 Stunde, Kundentelefonat 45 Minuten und so weiter. Das war für mich wichtig zum Nach­kalkulieren: Lag ich mit meinem Angebot richtig? Oder habe ich mehr Zeit gebraucht, als ich berechnen konnte?

Das kann ich jedem Texter zu Beginn seiner Freelancer-Karriere nur empfehlen.

Es ist manchmal erschreckend, wie sehr man sich bei seiner Angebotskalkulation zum eigenen Nachteil verrechnet.

Heute kann ich das relativ gut abschätzen. Grob gerechnet texte ich rund 20 Stunden die Woche. Und nie am Wochenende, so wie früher so oft als Textfeuerwehr für Werbeagenturen.

Verwendest du spezielle Tools für deine Arbeit?

Weil ich – trotz jahrelanger Texterei – immer noch ein schlechter Schreibmaschinenschreiber bin, diktiere ich die meisten Rohentwürfe meiner Texte direkt in den Computer. Ich nutze dazu eine Spracherkennungssoftware, die inzwischen ziemlich fehlerfrei arbeitet. Sie heißt „Dragon NaturallySpeaking“. Natürlich muss ich danach die Texte noch inhaltlich und stilistisch nachbearbeiten, aber wir Texter wissen ja: Das Schwierigste ist oft, überhaupt erst einmal ein ordentliches Textgerüst zu haben, das man feinschmirgeln kann.

Für größere Textprojekte, wie Broschüren oder Websites, verwende ich auch gern Scrivener. Damit habe ich von der ersten Textrecherche über Screenshots, Notizen und Internetlinks alle Informationen in einem einzigen Dokument. Im Gegensatz zu Word kann ich in Scrivener dann auch einzelne Textpassagen wunderbar einfach verschieben, ohne – wie bei Textverarbeitungsprogrammen – durch ellenlange Dokumente scrollen zu müssen. Ich verliere dabei immer schnell den Überblick.

Mein drittes Tool, auf das ich nicht mehr verzichten möchte, heißt Camtasia. Dies ist eine Bildschirmaufzeichnungs-Software, mit der man wunderbar einfach Erklär-Videos, Podcasts und Videos erstellen kann. So was wie eine eierlegende Wollmilchsau für Audio- und Videoproduktionen.

Arbeitest du mit anderen Freiberuflern zusammen?

Früher habe ich mehrfach probiert, mit Freelancern gemeinsam größere Projekte zu stemmen. Das Problem war dabei meist, dass der Kunde immer nur einen einzigen Ansprechpartner für alles haben wollte. Das hieß, ich musste rechtlich gesehen den Kopf für alle anderen Freelancer mit hinhalten. Hinzu kam, dass es intern häufig abrechnungstechnische Probleme gab, aufgrund unterschiedlicher Stundensätze.

Ganz zu schweigen davon, dass einer immer, ob berechtigt oder nicht, schnell das Gefühl hatte, mehr als die anderen geleistet zu haben – und daher auch, wie er meinte, den größeren Anteil „verdiente“. Auch haben Freelancer anderen Freelancern gegenüber oft ein anderes Verständnis von Termintreue, als wenn sie einem „echten“ Kunden gegenüber selbst in der Pflicht stehen.

Deshalb arbeite ich heute mit Freiberuflern nur noch insofern zusammen, dass ich meinen Kunden empfehle: „Nehmen Sie für diese Aufgabe diesen oder jenen Profi. Den Auftrag und das ganze Prozedere klären Sie aber bitte selbst mit ihm ab. Gerne übernehme ich für Sie im Hintergrund die interne Abstimmung untereinander.“

Bei Projekten, die ich selbst aus Zeitgründen nicht übernehmen kann, empfehle ich den Kunden aber auch gern Branchenkollegen, von denen ich weiß: Die können das und es passt.

Wie verrechnest du deine Leistungen – pro Wort, mit deinem Stundensatz, als Pauschale…?

Leistungen rechne ich grundsätzlich nicht per Wort ab. Stundensätze verwende ich nur bei Text-Coachings. Alles andere wird als Pauschale abgerechnet.

Welche rechtlichen oder finanziellen Fallstricke gibt es für freie Texter?

Uh, ein weites Feld. Einer der größten Fallstricke für Texter, die sich gerade selbstständig machen, ist zu denken: Das, was ich verdiene, kann ich auch behalten. Das mag jetzt ziemlich simpel klingen, doch viele sind bass erstaunt, wenn nach zwei Jahren plötzlich das Finanzamt an die Tür klopft – mit der Einkommenssteuernachzahlung für die ersten zwei Jahre plus einer gehörigen Vorauszahlung fürs nächste Jahr. Da sind schon einige Texter in die Knie gegangen.

Zugleich sollte man wissen, dass man nicht rund um die Uhr texten kann.

Das ist ein kreativer Job und keine Fließbandarbeit.

Man braucht Denkpausen, neue Inputs von außen. Dann sind da auch noch die administrativen Aufgaben wie Angebote und Rechnungen schreiben, Kundengespräche führen, Briefingtermine, Netzwerken – und ganz wichtig: das Eigenmarketing. Auch diese nicht weiter berechenbaren Zeiten müssen im eigenen Stundensatz mit einkalkuliert werden. Und hatte ich schon Urlaubszeiten, Durststrecken ohne Aufträge und mögliche Ausfälle wegen Krankheit erwähnt, die ebenfalls finanziell – zumindest teilweise – gecovert sein sollten?

Hast du Buchempfehlungen speziell für freie Texter?

Zwei ganz gute Bücher, aber leider auf Englisch, sind „The Wealthy Freelancer“* von Steve Slaunwhite, Pete Savage und Ed Gandia sowie „The Well-Fed Writer®“* von Peter Bowerman. Sie sind zwar für den amerikanischen Markt geschrieben und hauen meinem Empfinden nach etwas zu dick auf den Putz, aber es sind gute Inspirationen darin zu finden. Und die Seite doubleyourfreelancing.com von Brennan Dunn ist sicherlich auch mal ein Freelancer-Blick wert.

Vielen herzlichen Dank für das Interview!

Über Detlef von TextBoosting:

Detlef arbeitet bereits seit 25 Jahren als freier Texter. Seit geschlagenen 33 Jahren verdient er sein Geld mit dem Texten. Mehr über Detlef Krause, seine Coachings und Bücher findest du auf seiner Website unter www.textboosting.com!

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13 Antworten

  1. Sehr lesenswertes Interview, das auch schon weiterempfohlen habe. 🙂 Super, dass Detlef seine Expertise so offen teilt. Vielen Dank an euch beide.

  2. Vielen herzlichen Dank für dein tolles Feedback, liebe Sarah! Da ich selbst als freie Texterin arbeite, konnte ich mir sehr gut vorstellen, was meine LeserInnen wohl interessiert. 😉
    GLG Lilli

  3. Total inspirierendes Interview. Danke, dass ihr das gemacht habt. Die Antworten sind ermutigend, die Fragen klasse gestellt (genau die Fragen, die man sich als (angehender) Texter stellt) und es ist einfach alles rundum abgedeckt. Super Sache. Danke, Lilli!

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